Oscar Wilde hatte Recht: Wir liegen alle in der Gosse, doch manche von uns schauen wenigstens zu den Sternen auf. Klingt nicht sehr erbaulich, aber mehr ist zur Zeit einfach nicht drin. Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann reib sie dir in die Augen. Keine gute Zeit für Optimismus, das weiß auch Vizediktator. Die Berliner Straßenpop-Band um Sprachrohr und Sänger Benjamin Heps redet auf ihrem zweiten Album „Was kostet die Welt?“ nicht um den heißen Brei herum, hält nichts von Floskeln und Rumgedruckse. Klanglich kriegen sie dich mit einem Sound zwischen Turbostaats eruptiver Schelle und Ton Steine Scherbens angesoffener Poesie, ausgespuckt auf die Straßen Kreuzbergs; textlich mit einem ungeschönten Blick auf den Scherbenhaufen Welt und nackter, verletzlicher Emotion.
Vizediktator ist anno 2022 eine komplett andere Band als noch auf dem wuchtigen Debüt „Kinder der Revolution“. Vier Jahre sind eben eine lange Zeit, nicht zuletzt durch diese kleine Pandemie. „Es gab viel Veränderung in meinem Leben, davon zeugt auch diese Platte“, protokolliert Benjamin Heps. „Ich habe viele Dinge neu schätzen gelernt, die ich lange als gegeben hinnahm. Das hat meine Musik deutlich persönlicher gemacht, manchmal fast zu persönlich.“ Damit meint er auch die Überwindung, die es ihn gekostet hat, über seine Vaterrolle zu schreiben. „Das passt eben nur bedingt mit Rock’n’Roll und langen Nächten zusammen. Für mich birgt das viele Konflikte.“
Zum Glück, möchte man sagen: Konflikte bestimmen seine Musik, machen sie nahbar, greifbar. Sollbruchstellen in den Songs sind die die Sollbruchstellen in ihm.